frieden, plural

Wenn ich aus meinem Bürofenster schaue, dann sehe ich grüne Wiesen, hell- und dunkelbraune Felder, noch kahle Bäume, an denen sich aber schon das Grün zeigt, den See und dahinter im Dunst die Hügel und Berge. Alles ist ruhig. Der Stewi ist zugeklappt und (noch) ohne Wäsche. 
Alles scheint zu warten. 
In den Spitälern herrsche die Ruhe vor dem Sturm, wurde mir erzählt. Wer in der Apotheke zwei Packungen Ibuprofen möchte, bekommt nur eine. Pflegeinstitutionen, welche kein Spital sind, haben Mundschutz- und Desinfektionsmittel-Bestellstop. Man bewahrt Ruhe, mehr oder weniger, so wie es sich für zivilisierte Menschen gehört. Und trotzdem wird etwas in uns angerührt, was wir bisher nicht gekannt haben.
Und wir warten. 
Warten auf das Unvermeidliche. Warten ab, ob wir nicht doch verschont bleiben von Zuständen, wie in Italien. 
Wir warten. 
Die Verunsicherung ist gross und die Sorgen um unsere Gesundheit begründet. Die Idylle meiner Aussicht erscheint mir zynisch. Die Wärme der Frühlingssonne unpassend. In der Bibel stehen folgende Sätze, die Jesus an seine Freundinnen und Freunden richtete, so wird es sich erzählt:

Frieden lasse ich euch zurück, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht einen Frieden, wie die Welt gibt, gebe ich euch. Euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht! 


Wenn ich das lese, denke ich: Stimmt! Da ist doch mehr! Wir sind nicht nur durch die Sorgen miteinander verbunden, sondern auch durch das Vertrauen. Es wird jedes Jahr wieder Frühling. Es werden Kinder geboren und Menschen verlieben sich. Glücksmomente überraschen uns und es wird ein Streit beigelegt. Man wird freudig begrüsst und sehnsüchtig erwartet. Es sind Frieden (zu diesem Wort muss ein Plural erfunden werden!), die vielleicht anders sind, als erwartet. Aber sie sind. Euer Herz erschrecke nicht und verzage nicht! 




Kommentare

  1. Zuversicht gibt mir ein Gedicht der polnischen Lyrikerin Wislawa Szymborska (1923-2012)

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    Solange diese Frau aus dem Rijksmuseum
    in der gemalten Stille und Andacht
    Tag für Tag Milche
    aus dem Krug in die Schüssel giesst,
    verdient die Welt
    keinen Weltuntergang

    Verena Kaiser-Ernst

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