grüner donnerstag

Heute ist Gründonnerstag. Heute erinnern sich die Christinnen und Christen auf der ganzen Welt an den letzten Abend, den Jesus mit seinen Freundinnen und Freunden verbracht hat. Morgen, am nächsten Tag, wurde Jesus gekreuzigt. Aber heute ist heute. Den Abend hatten sie noch. Sie waren beieinander. Ahnten vielleicht, was auf sie zukommt. Waren vielleicht noch hoffnungsvoll, dass die Geschichte anders ausgehen wird. Gemeinsam haben sie Brot gegessen und Wein getrunken. Wir nennen es Abendmahl. 

Der Name "Gründonnerstag" kennt verschiedene Erklärungen. Eine beliebte sagt, die Bezeichnung komme vom althochdeutschen "greinen", also weinen. Es passt zu unserer kirchlichen Tradition. Und zu unserer Erfahrung mit dem Abschied nehmen. 
Andere sagen, es komme vom grünen Holz, das für das neue Leben und einen neuen Anfang steht. Mir gefällt beides. Und beides gehört irgendwie zusammen. Wir weinen nicht nur, wenn wir traurig sind. Wir weinen auch, wenn es heisst Abschied zu nehmen, wenn wir neu anfangen. Wir weinen, weil eine Entscheidung schwer gefallen ist, auch wenn wir im Kopf wissen, dass es richtig war. Wir weinen, wenn wir uns an glückliche Momente erinnern, die wir jetzt nicht mehr wiederholen können. Wir weinen, weil wir vermissen und spüren, dass leben auch sterben heisst, dass leben auch verlieren heisst.

Gestern haben wir von unserem Hund Abschied genommen. Ich war immer der Überzeugung, dass es mir nicht schwer fallen wird. Es ist ja nur ein Hund. Ich habe mich geirrt. Die Entscheidung zu treffen: "Jetzt ist es soweit". Zu spüren, dass die Seele sich auf den Weg gemacht hat. Die Leere, weil keine tappenden Füsse mehr hinter einem herlaufen. Es ist schwer. 
Es ist nur ein Hund. Ja. Und trotzdem glaube ich, dass unsere Menschlichkeit darin besteht, dass wir uns gerade auch und besonders von den schwächsten Lebewesen berühren lassen. Von den Lebewesen, die abhängig sind von uns und unserer Güte.

Zulassen, was da ist, dem Weinen seinen Raum geben, die Erinnerungen teilen, Schritt für Schritt Abschied nehmen. Wenn wir Menschen verlieren, wenn wir Tiere erlösen müssen, wenn wir uns von Orten, Menschen und Lebensabschnitten trennen. Bewusst den Schmerz wahrnehmen. Ich glaube, es ist eine hohe Kunst. Ich muss mich auch noch darin üben. 

Heute feiern wir nicht in Gottesdiensten gemeinsam Abendmahl. Wir können es aber auch Zuhause tun. Mit Menschen, die uns nah sind. Die unseren Schmerz vielleicht kennen. Die mit uns gehen, uns nicht alleine lassen. Menschen, mit denen wir manchmal ringen und streiten. Wir können auch alleine Abendmahl feiern. Wir kennen uns selbst am besten. Wir sind es wert, dass wir uns selbst ernst nehmen. Ob mit oder ohne andere Menschen um uns.
Ob alleine oder mit Menschen, wir feiern Abendmahl: Ein feines Brot ganz bewusst geniessen. Vielleicht den Anschnitt des Zopfes, der für morgen gedacht ist, "stibitzen". An das denken, was uns gerade wichtig ist im Leben. Dankbar sein für das, was uns Kraft gibt im Weinen. Ein Glas Wein oder Traubensaft einschenken. Es geniessen. An das denken, was uns mit Gott und den Menschen verbindet. Uns an Momente erinnern, in denen wir gespürt haben: Ich bin nicht allein.

Gott, segne uns und behüte uns.
Gott, schütze unser Leben und bewahre unsere Hoffnung.
Gott, lass dein Angesicht leuchten über uns, dass wir leuchten für andere.
Gott, erhebe dein Angesicht zu uns und halte uns fest 
im Glauben, dass das Leben lebendiger ist als der Tod. Amen

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