unbeschwert

«Dass sie ihre Unbeschwertheit behalten darf». Das ist der Wunsch eines Vaters für sein Kind. Wir taufen es gemeinsam. Geben ihm das Versprechen mit auf den Weg, dass es nie alleine sein muss. Dass es seine Träume leben darf. Was auch immer das für Träume sein werden. Es krabbelt gerade am liebsten auf seinem grossen Bruder herum. Streckt uns die Ärmchen mit Vertrauen entgegen. Es weiss zum Glück noch nicht, dass das Vertrauen brüchig werden wird. Mit jedem Lebensjahr mehr. Es wird seine Unbeschwertheit verlieren, wie es die Milchzähne verliert. Wir Grossen wissen das. Trotzdem oder gerade deswegen wünschen wir uns für unsere Kinder genau diese Freiheit und die unbeschwerte Freude am Leben. Wir hoffen, dass sie die ersten sein werden, denen es gelingt, Kind zu bleiben. Dass sie niemals lernen müssen, was es heisst, enttäuscht zu werden. Dass sie niemals lernen müssen, wütend zu sein und zu kämpfen. Darum, eine Stimme zu haben, die gehört wird. 

Der kleine Täufling ist ein Mädchen. Ihr Name bedeutet «die Begnadete». Und ich werde traurig, weil ich weiss: Egal wie begnadet sie durch ihr Leben gehen wird, sie wird lernen, wütend zu sein. Sie wird lernen auszurufen, aufzustampfen, ihr Recht mit allen Mitteln einzufordern. Wahrscheinlich lauter, direkter, wütender als ihre Brüder. Sie wird länger durchhalten müssen und man wird ihr sagen: Mach nicht so ein Theater. Du bringst uns Frauen Schande, wenn du dieses oder jenes tust. Man wird sie fragen: Jetzt gibst du schon auf? Sie wird lernen, dass man von ihr erwartet, dass sie lächelt. Immer. Sie wird lernen, dass man von ihr erwartet, dass sie schweigt. Meistens. Auch dann, wenn sie etwas zu sagen hat. Gerade dann.

Drei Mal ein paar Tropfen Wasser auf die Stirn. Ich wünsche ihr, dass sie nicht schweigt, wenn sie ungerecht behandelt wird. Dass sie nur lächelt, wenn ihr danach ist. Und sie das Vergeben nicht vergisst. Ich wünsche ihr, dass sie kämpft, wenn sie etwas möchte, etwas braucht. Dass sie sich erlaubt, wütend zu sein, auch wenn sich das für eine Frau nicht "gehört". Und sie dabei keine Mauer um ihr Herz baut.  Ich wünsche ihr, dass sie erleben darf, was es heisst, ganz und gar geliebt zu werden. Genau so, wie sie gemacht ist. Genau so, wie sie sein möchte. Mit allen Wünschen und Bedürfnissen, die sie hat. Ganz und gar geliebt.

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